5. Etappe 20.08. – 27.08.2011 Ebeltoft – Travemünde

Crew: Roman, Nick, Svenja, Gudrun, Anke, Daniel, Jens, Nina (S)

Törnstrecke: Ebeltoft – Kolby Kås – Agersø – Svendborg – Lyø – Marstal – Heiligenhafen – Travemünde

Zurückgelegte Meilen: 253,3sm

Samstag, 20.08.

Frisch aufgeklart erwartet Wiking VII drei neue Crewmitglieder: Anke, Daniel und Jens, ausgestattet mit einer Wagenladung an Vorräten und gutem (gut deshalb weil pfandfrei und bezahlbar) dänischen Export-Bier, kommen an Bord. Den ein oder anderen für die Einkaufsliste Verantwortlichen mag die Sorge um Skorbut wohl doch zu sehr geplagt haben, was dazu führt, dass in den endlosen Weiten der Salon-Schapps nicht nur essentielle Lebensmittel wie Nutella und Cornflakes gebunkert, sondern auch Unmengen an Vitamin C-reichem Porree irgendwie verstaut werden.

Die Stimmung ist gut – das Bier muss nicht mehr rationiert werden – und wir verbringen unseren ersten Abend in neuer Zusammensetzung beim Grillen auf dem Steg und machen Bekanntschaft mit Faxe und Tuborg, während Daniel, hobbymäßiger Sachensucher, durch das dänische Idyll zieht, um auf elektronische Schnitzeljagd zu gehen.Nachdem die restlichen Dorsche vom letzten Großfang gegrillt und verspeist sind, finden wir allmählich – begleitet von Feuerwerk am Nachthimmel (Ebeltoft hatte irgendetwas zu feiern) den Weg in die Kojen und freuen uns auf den bevorstehenden Segeltag.

Sonntag, 21.08.

Der erste Morgen unter der Schiffsführung von Nina beginnt entspannt. Sonnenschein begrüßt uns und beim Frühstück kann endlich wieder aus dem Vollen geschöpft werden (Kakao auf Brot war nicht wirklich eine Alternative). Es verspricht ein angenehmer Akklimatisierungstörn zu werden.

Nick (bereits erfahrener Schlauch-Schiff-Skipper) darf den Ableger fahren und so geht es hinaus durch das verschachtelte Fahrwasser an den Untiefen und dem Schiffswrack vorbei auf die freie Ostsee. Bei anfänglichen 2 Windstärken aus S segeln wir hoch am Wind über eine schöne Welle westlich an Samsø die Ostsee runter, während Roman die Seefestigkeit der Neucrewmitglieder unter Deck aufs Äußerste testet, indem er sie in ausführlichster Form mit weiteren Sicherheitsvorrichtungen und sämtlichen Seeventilen vertraut macht. Der Wind nimmt zu, wir reffen und erfreuen uns über maximale Krängung und die kardanische Aufhängung des Gasherdes, auf dem jetzt Nudeln braten. Wir kreuzen bei bis zu 9 kn an Samsø entlang und da die Wettervorhersage für den Frühabend Schauer und Gewitter angekündigt hat, führt Nina uns in den Hafen von Kolby Kås, südwestlich auf der Insel. Kolby Kås dient als wichtigster Versorgungshafen von Samsø und hat auch eine Fähre, ist in Sachen Hafenromantik allerdings wenig attraktiv. Egal, er bietet uns Schutz vor Wind und Wetter und wir können mit der ersten Verarbeitung der Porreevorräte beginnen.

Beim gemeinsamen Abendessen hellt sich Romans Stimmung spontan auf, als sich zum Erstaunen der übrigen Crewmitglieder sein vor Tagen verloren geglaubtes und reichlich betrauertes blaues Lieblingsfleece in Gudruns Besitz wieder auffindet. Sie hatte es beim Spazierengehen gefunden, einfach mal so stillschweigend eingesteckt und freundlicherweise auch im letzten Hafen gleich gewaschen.

Montag, 22.08.

Obwohl wir im hinteren Teil des Hafens liegen, bekommen wir am Morgen deutlich den Schwell zu spüren. Es ist extrem windig und der Blick über die Hafenmole zeigt eine unruhige See mit launischer Welle. Das Wasser drückt stark ins Hafenbecken, was ein sicheres Hinausfahren von unserer Position aus unmöglich macht. Nina hat Insiderinformationen, dass es zum Mittag hin ruhiger werden soll und so legen wir gegen 12.00 Uhr ab und fahren tatsächlich bei Sonnenschein über eine entspannte See südlich durch den Großen Belt, Kurs auf die Große-Belt-Brücke. Einmal am Horizont erschienen, gewöhnen wir uns an ihren Anblick.

Die Sonne brennt, der aus W kommende Wind hat sich auf 2 Windstärken zurückgezogen und die üblichen Verdächtigen drängen auf einen Badestopp. Fender raus, Köpper rein. Wir haben Sommerurlaub. Erfrischt durch die Ostsee verlangt es nach mehr Aktion und wir setzen den Spi. Das graphische Holstentor erstrahlt am blauen Himmel und unsere lange Reise Richtung Große Belt Brücke wird mit 3-5 kn lautlos fortgesetzt. Das Vorschiff dient als Liegewiese, auf der Badeplattform werden Erfrischungsgetränke konsumiert, im Cockpit beobachtet man meditativ den Horizont und nur vereinzelt hört man Roman an der Spischot arbeiten. Wir entschleunigen nicht nur mental sondern irgendwann leider auch tatsächlich und so gibt Nina letztendlich das Kommando zum Segel bergen und wir motoren. Endlich durchfahren wir die Brücke und es geht weiter durch schmales Fahrwasser den Agersø-Sund entlang.

Steuerbordseits zeigt sich ein schillernder Sonnenuntergang und die von einer Windmühle geprägte Silhouette von Agersø kommt zum Vorschein. Mit der bürgerlichen Dämmerung durchfahren wir die Nadelöhreinfahrt (Achtung! Scharf links abbiegen) des Hafen und machen längsseits am letzten freien Liegeplatz fest.

Zwei Hamburger Deerns beginnen zu kochen (irgendetwas auf Porreebasis), auf der Mole werden die Beilagen dazu gegrillt. Der Abend im malerischen Agersø endet passend zum Segeltag in entspannter Stimmung.

Dienstag, 23.08.

Wie vorhergesagt, zeigt sich der Wind morgens nur schwach umlaufend aus E/SE. Wir verlassen gegen 11.00 Uhr den Hafen, setzen die Segel und kreuzen durch den Agersø-Sund südlich um Agersø herum durch den Omø-Sund, wieder mal über den Großen Belt und versuchen westlich an Langeland runter zu kommen. Der Wind – heute mal ganz Diva – will nicht so recht und zwingt uns immer wieder auf Maschinenkraft umzusteigen. Die nächsten Stunden verbringen wir hauptsächlich damit, den Kegel einzuholen und kurz darauf wieder zu setzen. Der Optimismus der Skipperin ist vorbildlich, trotz zunehmender Himmelsverdunklung verbreitet sie – zu Klängen von Buena Vista Social Club im Cockpit – Sommer-Feeling in kurzer Hose und Ölzeugjacke. Und die Tatsache, dass wir höchstens mal mit 3 kn segeln, findet sie auch noch gut, da dies die ideale Fischfanggeschwindigkeit sei. Mitreisende werden zum Spaß haben gezwungen und müssen während der Fahrt von der Badeplattform aus angeln. Nach kurzer Zeit wird dieses Vorhaben allerdings übereilt aufgegeben, da wir angeblich doch viel zu schnell unterwegs sind um auf Dorsch zu gehen, was bei anderen Crewlern die Frage aufwirft, ob Dorsch denn so ein langsamer Fisch sei … Bei Nieselregen und absolut null Wind fahren wir am Schloss Valdemar vorbei, passieren den Svendborg-Sund und erreichen schließlich den Zentralhafen von Svendborg südlich auf Fünen.

Spektakulär aufgrund des setzenden Stroms, aber ohne Fremdkontakt, legen wir längsseits zwischen zwei Yachten an. Der Hafen liegt direkt am Stadtkern und bietet neben vielen Traditionsseglern und einer Abwrackwerft zum Bestaunen, ganz fabelhafte Sanitäreinrichtungen, alles sehr schick auf Schwimmpontons. Duschen wird teilweise zum abendfüllenden Ereignis ausgedehnt. Die Küche zaubert chinesische Köstlichkeiten aus Porree und so manch eine verträgt heute Abend mal einen “Helbing“ mehr. Beseelt legen wir uns zur Ruhe.

Mittwoch, 24.08.

Im Morgendunst erwacht die Stadt und wir mit ihr. Die Einheimischen tragen kurze Hosen, was uns auf baldigen Sonnenschein hoffen lässt. Wir nehmen uns die Zeit und bummeln durch Svendborg. Schnell werden noch Cornflakes und Wein gebunkert, dann legen wir ab und fahren nach einem kurzen Tankstopp weiter durch den Svendborg-Sund, Kurs auf Lyø. Der aus SW kommende Wind zwingt uns zum Kreuzen und wir sind sportlich dabei. Jedes Boot wird zur Regatta, der Ehrgeiz ist geweckt: (O-Ton Skipperin: „Gehst Du bitte in Luv vorbei, wir wollen doch gewinnen!“).

Nördlich um Avernakø herum und schon erscheint unser Ziel schneller am Horizont als erwartet. Wir üben erfolgreich ein Boje-über-Bord-Manöver und laufen am Nachmittag im Hafen von Lyø ein.

Wir haben Freizeit und zelebrieren das Inselleben. Willi wird hervorgezaubert und während Daniel das Bier und Nick die Angel hält, rudert Jens unter den staunenden und teils mitleidsvoll geschwängerten Blicken der übrigen Segler die drei aus dem Hafenbecken hinaus auf die See um für Abendessen zu sorgen. Anke und ich erobern den Strand und schwimmen die Bucht ab, Gudrun erkundigt die Landschaft, Roman lötet und repariert irgendetwas und Nina – die eigentlich endlich mal lesen wollte – fegt das Cockpit. Allmählich trudelt alles wieder am Schiff ein und uns wird vorgeführt, dass man Hängematten hervorragend zwischen die Heckdalben der Hafenbox aufspannen kann, um stilecht bei Buch und Bierchen zu entspannen.

Die Mädels treffen sich auf eine Runde Damen-Rummi, bei der Daniel aufgrund seiner Langhaarfrisur später auch mitspielen darf. Während in der Kombüse die ersten Pfannkuchen backen, fällt die Nacht über Lyø ein und taucht die Insel in schluckende Dunkelheit. Einzig Romans Kamera kann noch Lichtblicke aufnehmen und so fallen wir einer nach dem anderen in unsere Kojen und beginnen zu träumen.

Donnerstag, 25.08.

Mit Willi schlaff auf dem Vordeck liegend verlassen wir am Morgen Lyø bei wenig Wind. Ernüchterung macht sich breit. Niemand ist wirklich scharf auf Motorengedröhne. Herausgefordert setzen wir die Segel vorerst zum Butterfly. Groß nach steuerbord, Vorsegel nach backbord. Während wir noch die Genua ausbaumen, steht Anke überambitioniert mit dem Spi auf dem Vorschiff bereit und kann überhaupt nicht verstehen, wieso wir diesen nicht gleich hinterher setzen:

“Kein Spi, Anke!“,“Warum nicht?“,“Wir müssen gleich wieder den Kurs ändern!“,“Wie langweilig!”

Knapp zwei Stunden später haben wir unseren Kurs Richtung Marstal und bei 2-3 Windstärken aus SW die perfekten Spibedingungen. Schnell werden Spischot, Achter- und Barberholer gelegt, der Spi angetoppt, Tüte hoch! Das Segel steht und wieder grüßt das Wahrzeichen Lübecks und Anke strahlt!

Kurz vorm sehr engen Fahrwasser nach Marstal bergen wir die Segel, nicht nur weil wir auf neuen Kurs gehen müssen, sondern weil mittlerweile wieder Flaute herrscht. Wie zur Perlenkette aufgereiht folgt Segler hinter Segler und Nick entdeckt mal wieder als einziger “Delfine(!), 3m neben uns!“

Im Hafen von Marstal bei einem der hinteren Stege schlängeln wir uns „an im Weg stehenden Dalben“ vorbei und machen problemlos in einer Box fest.Während wir anerkennend beobachten, wie eine kleine Yacht ins Hafenbecken kreuzt und steuerbords mit einem Aufschießer anlegen kann, sorgt an Backbord die Besatzung von www.skipperteam.de , für Unterhaltung, als sie uns in abschreckender Weise demonstriert, wie man es – unter Motor – auf gar keinen Fall machen sollte. Endlich mal Hafenkino! Die Crew schwärmt aus, zieht durch die verspiegelten Gassen von Marstal, genießt Kultur und schaut beim Training der heimischen Ruderer zu. Smut und Backschafter triumphieren über das Lauchgemüse: Es gibt Tortellini an Käse-Sahne-Soße mit einem Hauch von Porree verfeinert.

Freitag, 26.08.

Gibt es was Schöneres als früh morgens vom Geklapper der Wantenschutzrohre aus dem Schlaf gerissen zu werden? Definitiv!

Was war los, die Windvorhersage lautete doch morgens mäßig umlaufend…? Der Blick nach draußen zeigt Welle im Hafenbecken und Sturm über Marstal. Ursprünglich wollten wir früh ablegen, aber unter diesen Bedingungen riskieren wir lieber nichts. Wir warten erst mal ab.

Willi, offiziell für Tod erklärt, würdig verabschiedet und ordnungsgemäß bei der Miljöstation entsorgt, wird von Roman auf einer Spielplatzbank aufgelesen und so nehmen wir unseren orangefarbenen Freund doch wieder mit an Bord und verstauen ihn in der Backskiste. Die Skipperin und Anhang studieren den Wind, beobachten andere Segler, die sich aus den Boxen kämpfen und entwickeln einen Masterplan. Nina erklärt uns das angestrebte Vorgehen, aber erst mal muss das Vorsegel gewechselt werden. Wir verholen das Boot so gut es geht mit dem Bug in den Wind und bergen gegen die Böen die Genua und ziehen die Fock auf.

In einem Alle-Mann-Manöver schaffen wir es wie erhofft aus der Box heraus. Was nun folgt ist Segelspaß hart am Wind mit über 1,5m hoher Welle. Trotz der 6 Windstärken ist es sonnig und warm, die Ostsee glitzert und nur die Tatsache, dass immer mal wieder die Schiffsnase in die Wellen taucht und wir geflutet werden, zwingt uns Ölzeug zu tragen. Im zweiten Reff nehmen wir Kurs auf Fehmarn. Vereinzelnd wird Vomex gereicht. Der Wind beruhigt sich langsam, die Welle bleibt, wird aber gnädiger. Wir schaukeln in heimische Gewässer und der Flaggenwart holt den Dannebrog ein.

Heimtückisch, noch im Halbschlaf überrascht, werde ich überredet, endlich mal zu steuern und so kreuzen wir irgendwo vor der Küste hin und her und Dank subtiler Hilfeleistung bleiben wir dabei unbeschadet und einigermaßen auf Kurs.

Familienzusammenführung wird an Bord ernst genommen, deshalb geht’s doch nach Heiligenhafen, dort haben auch Nicks Eltern festgemacht. Leise, wie Piraten laufen wir in der Marina ein, suchen still nach einem freien Liegeplatz. Und nur zum Beweis dafür, dass wir in unserer Gesamtheit eine Crew der Alleskönner sind, steuert uns La Skip diesmal römisch-katholisch in eine Hafenbox, die keinen Zentimeter schmaler hätte sein dürfen, und liefert den uns beobachtenden Chartercrews am Steg Hafenkino in vollendeter Form, oskarreif und in 3D. Routiniert gibt Nina die letzten Manöverkommandos: „Achterleinen fest, Vorleinen fest, Anlegebier im Cockpit!“ Die Crew funktioniert. Es ist tropisch warm, die berühmte Ruhe vor dem Sturm herrscht. Rundherum am Horizont sind Wetterleuchten zu beobachten. Eine Unwetterwarnung wurde bereits ausgesprochen, aber wir merken noch nichts davon.

Plötzlich wieder Wind, starker Regen kommt auf. Wir gehen unter Deck und essen und während wir noch beim Nachtisch sind, ist auch schon alles vorbei. Unseren letzten Abend verbringen wir niveauvoll mit Flaschenbier an Bord.

Samstag, 27.08.

Reise, Reise! Frühes Aufstehen ist beordert. Ableger 8.00 Uhr, die Heimat ruft! Wir verlassen Heiligenhafen und steuern bei achterlichem Wind auf die Fehmarnsund-Brücke zu. Elegant halsen wir direkt zwischen den Brückenpfeilern und drehen dann ab Richtung Travemünde. Wettertechnisch bekommen wir zum Schluss noch mal die ganze Vielfalt präsentiert: Bisschen Regen, ganz viel Regen, Wind, Sonnenschein, Wolkenhimmel….Bei guten 8 Knoten segeln wir die Strecke trotz Kreuzen relativ zügig ab. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Einfahrt zur Trave. Noch ein Zwischenstopp bei der Tankstelle bevor wir endgültig im Passathafen festmachen. Gewohnt stoßen wir auf unseren letzten Anleger an und dann wird “Klar Schiff“ gemacht. Noch ein gemeinsames Posing fürs Crewfoto – der Sommertörn ist zu Ende.

Im Herzen heroische Seefahrer – brechen wir auf zum Landurlaub. Bis zum nächsten Mal, wenn der Ruf der See nicht mehr zu überhören ist und es uns an den Horizont zieht. Was uns bis dahin bleibt sind eindrucksvolle Momente und die quälende Frage, wie Willi es eigentlich aus der Mülltonne schaffen konnte.

Schön war´s.
Svenja