2. Etappe 23.07. – 30.07.2011 Skagen – Fredrikstad

Crew: Steffen (S, AH), Richard (Co-S, OM), Frank (WF, OM), Anna-Lena (ext.), Maria (OM), Franziska (ext.), Heidi (OM), Nils (OM)

Törnstrecke: Skagen (DK) – Laesö – Götheburg – Mastrand – Lysekil – Veddö – Strömstad – Fredrikstad (N)

Zurückgelegte Meilen: 219sm

Zum Törnbeginn am 23.07.2011 in Skagen mußte ein Teil der Crew (Heidi, Franziska, Maria, Frank und Nils) den Weg nach Skagen über Land antreten und traf gegen Mittag gutgelaunt an der frisch geputzten Wiking VII ein, um sich dort mit den von Travemünde mit der ersten Etappe Angereisten (Richard, Anna-Lena und Steffen) zu treffen. Beim Verladen der Vorräte wurden die Augen des Skippers immer größer – aufgrund unterschiedlicher Interpretationen der Einkaufslisten waren genug Lebensmittel für etwa drei Monate gebunkert worden. Hunger sollte bei diesem Törn jedenfalls keiner leiden, auch nicht bei so essentiellen Vorräten wie Schokolade oder Keksen. Beim Beladen konnten sich dann alle wieder oder erstmals mit Wiking VII vertraut machen, die anderen Crewmitglieder beschnuppern und die abgelöste Crew verabschieden. Noch am frühen Nachmittag lief Wiking VII mit geringem Freibord (s.o.) nach Süden aus und kreuzte bei kräftigem SE-Wind gen Læsø, so dass wir uns alle mit den seglerischen Feinheiten anfreunden konnten, die von Rudergänger und Vorschoter erwartet wurden. Unterschiedliche Vorkenntnisse und Ansprüche an den Törn ließen uns eine spannende Woche erwarten. Im Laufe des Nachmittags ließ der Wind nach, allerdings zogen dunkle Gewitterwolken auf, so dass uns der Wechsel von Genua und Groß auf Eisenfock angesagt erschien. Entgegen aller Erwartungen erwartete uns Østerby mit einem Liegeplatz direkt am Steg im Fischereihafen – aus den sicherlich gnadenlos übertriebenen Erzählungen der Vorcrew erwarteten wir eigentlich Päckchenlage (mindestens als sechstes Boot). Beim Festmachen wurde eine Opfergabe an Rasmus gebracht – wir erhofften uns mehr (gefühlte) Zeit auf diesem Törn durch die Übergabe einer hochwertigen Armbanduhr, die von Nils mehr oder weniger freiwillig gespendet wurde. Den Abend beschlossen wir mit hervorragenden sanitären Einrichtungen, leckeren Spaghetti Bolognese (vom Skipper persönlich kreiert und serviert) und dem ersten Anlegerbier der Woche. Wir konnten uns bei dieser Gelegenheit gleich daran gewöhnen, Bier nur in niedrigen Dosen zu uns zu nehmen – es waren schließlich nur 0.33l-Gebinde an Bord.

Der Sonntag begrüßte uns mit einem spartanischen Frühstück – lediglich frische Brötchen, Rührei, Obstsalat und mehrere Aufschnitt- und Marmeladensorten ergänzten das heiße Wasser, dass als Tee oder Kaffee gereicht wurde. Gegen den Skorbut halfen vitaminreiche Säfte ebenfalls – vorbeugen ist auch hier besser als heilen. Überschattet wurde das Frühstück allerdings vom Wetter und der zugehörigen Wettervorhersage – im Hafen grauer Himmel, deutlich stärkerer Wind als am Vortag und erste Regenschauer ließen unangenehmes Segeln erwarten, die Vorhersage deutete auf 5 Bft. und 1-1,5m Welle hin – wir entschlossen uns, den Weg nach Schweden anzutreten und das teilweise nagelneue Ölzeug einzuweihen. In der Landabdeckung war mit Fock und erstem Reff gute Fahrt zu machen, auch der Seegang hielt sich an die Versprechungen des DWD – doch das sollte nicht so bleiben. Beim Passieren der östlichen Küste nahmen sprunghaft Seegang und Wind zu, so dass wir uns mit drittem Reff bei acht bis zehn Knoten über Grund durch Wellenberge mit einer gefühlten Höhe von zwölf Metern bewegten – in der Realität waren es allerdings lediglich drei bis vier Meter. Rasmus forderte Opfergaben „in natura“ – so hatten sich einige von uns das mit der „gefühlt längeren Reise“ nicht vorgestellt. Immerhin konnte durch die regelmäßige Hochdruckwäsche von Crew und Cockpit sichergestellt werden, dass niemand dauerhaft „imprägniert“ wurde. Im freien Wasser konnte Richard sich als zuverlässiger Rudergänger beweisen, der uns über mehrere Stunden bis zum „Troubaduren“ an der Einfahrt zu den Göteborger Schären brachte, während Steffen sich mit der Karte und der Versorgung der Crew befasste, um die Ausfälle minimal zu halten. Später brach teilweise die Sonne durch, das Wasser schien türkis vor dem Brechen der Wellen über dem Cockpit. Aus unerfindlichen Gründen war die Bereitschaft zum zeitlich korrekten Setzen der Gastlandsflagge beim Einfahren in schwedische Hoheitsgewässer recht gering, dies wurde erst in den ruhigeren Gewässern der Südeinfahrt nach Göteborg nachgeholt. „Die Wende“ ermöglichte uns dann auch das Segeln in die abgedeckte ruhigere See bis an unseren Premium-Liegeplatz direkt vor der Oper, wo wir im 2er-Päckchen festmachten. Interessanterweise waren die Hafen-Facilities teilweise auf Viking untergebracht, einem Hotelschiff analog der uns vertrauten Passat. Ein kurzer Stadtspaziergang mußte sein, aber nach Gemüsepfanne von Anna-Lena und Rest-Bolognese saß uns allen nach einem schweren Seetag die Müdigkeit in den Gliedern, nur noch wenige Hartgesottene wagten eine Exkursion, um den Liegeplatz von einer nahegelegenen Brücke aus zu begutachten. Aus den Kojen erklang bereits früh das „1. ASV Kettensägenorchester“.

Montag wurde als Ausgleich für die „harte Tour“ des Vortages nach dem Verholen an den Steg und Frühstück (diesmal mit Pfannkuchen) als halber Hafentag deklariert, genutzt um persönliche Vorräte, Bordlektüre oder einfach nur Eindrücke zu gewinnen. Der bedeckte Himmel mit gelegentlichen Schauern erschien uns nach den Erfahrungen des Vortages fast perfekt. Die vorherrschende Plakatierung der Göteborger Innenstadt ließ nur einen Schluß zu: „die Fidschis sind schwedische Kolonie“ – verharmlosende Erklärungsversuche deuteten auf Werbung für die Fidschis als Urlaubsziel hin, was aber wegen der offensichtlichen Absurdität des Ganzen von uns verworfen wurde. Gegen Mittag liefen wir unter Segeln aus dem Göta Älv nach Norden aus, um die kurze Etappe nach Marstrand in Angriff zu nehmen – mit raumen Winden, gelegentlichen Regenschauern und etwas Seenebel angenehmes Segelwetter, wir konnten im beengten Fahrwasser endlich all die Manöver üben, die uns am Vortage versagt geblieben waren. Marstrand begrüßte uns dann mit Abendsonne, klarer Sicht und dem letzten freien Liegeplatz im Gasthafen, den wir, mutig geworden, trotz starker Strömung römisch-katholisch anliefen. Nachdem Richard sich mit handgerollten Cevapcici und Tzaziki in die Mägen der Crew einschmeichelte, wurde die Insel erkundet – besonders die Festung war ein Magnet, von dem aus wir wunderbar im Abendlicht die Steinswale beobachten konnten. Nach externer Betankung in einer rustikalen Kneipe bei Bier und Radler wurden Pläne zur Sicherung des ASV-Nachwuchses geschmiedet – fünf SKS- und zwei SBF See Aspiranten outeten sich. Erstmals war auch zeitnah zum Sonnenuntergang der Adenauer eingeholt, dies ließ für die Zukunft noch mehr Verständnis für nautische Traditionen erwarten. Im Laufe des Abends ging noch ein norwegisches Folkeboot längsseits, dessen Crew in Schweden den billigen Alkohol genießen wollte.

Das Frühstück am Dienstag konnte der Crew mit Eiern, frischem Obstsalat und frischen Brötchen Energie für einen weiteren Tag auf See liefern – vollkommen entspannt liefen wir früh aus und wurden mit reichlich Sonne belohnt – lediglich akuter Mangel an Druckunterschieden der umgebenden Gebiete ließ uns die Vorteile aerodynamischen Vortriebs bitterlich vermissen, so dass wir endlich einmal den Motor ordentlich warmfahren konnten. Franky, Maria, Richard und Nils bemühten sich aktiv, unseren Speisezettel durch selbstgefangenen Fisch zu ergänzen, allein des Skippers Fluch machte ihr Engagement zunichte: Wenn Steffen Skipper ist, dann fängt man auf dem gesamten Törn höchstens einen Hornhecht von maximal 15cm Länge. Bei Motorfahrt in brütender Sonne bieten sich dafür andere Aktivitäten an – Fenderreiten und Baden waren auf der Favoritenliste weit oben angesiedelt, während Grog keinen Absatz fand. In Lysekil machten wir dann neben der optisch nagelneuen Bavaria „Nike“ fest, deren Besitzer sein schon acht Jahre altes Boot in einem Zustand erhielt, der sowohl das Alter des Bootes unterschätzen ließ, als auch im ASV nach einem Tag Nutzung unwiderruflich vergangen wäre. Jedenfalls hieß es „no shoes“. Nach einem Stadtspaziergang klinkten sich Steffen und Anna-Lena als Bordsenioren aus (leckerer Krebsteller im schwedischen Lokal), ließen das „gemeine Volk“ zuerst ein Curry von Nils an Deck genießen. Auf den Felsen genossen wir eine mediterran anmutende Aussicht auf den Hafen, die Bucht und den Sonnenuntergang.

Quietschende Geräusche weckten uns am Mittwoch früh: der Skipper der „Nike“ war mit Putzleder und Abzieher dabei, die Tautropfen von seinem Boot zu entfernen. Schnell war der Entschluss gefasst, für die kommende Nacht einen Ankerplatz in den Schären zu suchen, um auch den Frischlingen an Bord das unvergessliche Gefühl des freien Ankerns in der Natur nahezubringen. Auf dem Weg dahin passierten wir auf der „Hauptverkehrsstraße“ mit gefühlten 300 anderen Yachten Hamburgsund mitten durch den Ort – eine Kollision mit einem kreativ kreuzenden Einheimischen konnten wir nur durch extreme Manöver des letzten Augenblicks verhindern – gerne schlägt man nicht die Maschine von „langsam voraus“ nach „voll zurück“, aber besser als ein finaler Rammstoß ist das auf jeden Fall. Mit leichtem Wind kreuzten wir dann gen Nordwesten und hatten endlich die Gelegenheit, die Rollgenua in Betrieb zu nehmen, die wir am Morgen gegen die vorher genutzte Rollfock getauscht hatten. Bei traumhaftem Wetter segelten wir entlang der schönen Schären nach Norden. Die Nachfrage nach Sonnenmilch stieg, überall an Deck mußte man über maximalentspannte Decksratten steigen. Auch Wäsche und Bettzeug durften ein wenig die Sonne sehen. Willi wurde aus seinem dunklen Verlies befreit und aufgepumpt – und aufgepumpt – und aufgepumpt … auch dieses in Ehren alt gewordene Mitglied der ASV-Flotte sollte noch einmal Salzwasser schmecken. Nach einigen weiteren Sonnenbädern und –bränden drehten wir zum Abend unter Maschine in den Schärengarten bei Veddö, wo uns eine traumhafte Ankerbucht am Rande eines Naturschutzgebietes mit spiegelglattem Wasser und „ASV Spezial Grillfelsen“ erwartete. Etwa 30m oberhalb von Wiking VII genossen wir den Sonnenuntergang, Grillwürstchen, Gemüse und heiße Kartoffeln – der Transport wurde zur logistischen Meisterleistung, da Willi nach jeder der vielen Touren aufgepumpt werden wollte.

Spontan entschieden wir uns, die angeblichen „wilden Champignons“ nicht zu verzehren. Kuhfladen waren die einzigen Hinweise auf Zivilisation – zusammen mit einer prähistorischen Steinmauer. Im Laufe des Abends versuchten wir dann, kulturelle Toleranz und sprachliche Feinheiten zu üben: das gesuchte Säugetier mit „U“ gibt’s nur in Sachsen – den Urang-Utan; alle nicht-Sachsen wurden in die Feinheiten der sächsischen Sprache eingeführt: „Uffschnitt“ etc. Ein Nachtspaziergang führte über die Insel zur Westseite, Krebse wurden gesichtet und entzogen sich der Gefangennahme. Lediglich die „Austern“ konnten erfolgreich erlegt werden und durften anschließend noch einige Tage in der Pütz mitfahren, um die Welt zu sehen. Die Ankerwache verwendete die letzten Bockwürste als Köder, aber leider war uns wieder kein Angelerfolg beschert – nicht einmal der „Standard-Hornhecht“ ließ sich in die Enge treiben.

Die Morgentoilette mit Seewasser erfrischte uns. Nach Bereinigung der Grillrückstände wurde der Anker gelichtet, es ging weiter nach Norden, lediglich unterbrochen von einem Angelstop, einem Angelstop und einem Angelstop, einem Badestop und einem Angelstop. Nach einer unspektakulären Etappe mit der inzwischen schon braungebrannten Crew unter Junior-Wachführer Franky liefen wir am Abend den Hafen von Strömstad an – den letzten schwedischen Hafen unseres Törns. Erstaunlicherweise war der Einkauf von Postkarten hoch auf der Prioritätenliste fast aller Teilnehmer. Im Hafen war die Versorgung auch exotischer Getränkewünsche auf der „Partymeile“ sichergestellt, denn Strömstad ist als „Billighafen“ für die Besucher aus dem nahen Norwegen wirtschaftlich stabil aufgestellt. Franky verwöhnte uns mit einem Curry aus den Bordvorräten, die letzten Biere wurden getrunken (bis auf die streng rationierten Anlegerbiere für den Folgetag).

Am Freitag konnten wir unser Frühstück durch exzellenten Räucherfisch der örtlichen Räucherei ergänzen, bevor wir wieder mit Sonnenschein und gutem Wind aus westlichen Richtungen gen Norwegen aufbrachen. Der Skipper wurde mit seiner Ankündigung einer eventuellen Kontrolle durch Zoll oder Küstenwache nicht ernst genommen – zumindest nicht, bevor ein Zodiac mit lustig kostümierten Eingeborenen längsseits kam und Auskunft über Ziel, Crew, Vorräte und – vor allem – den Alkohol an Bord verlangte. Mit viel Freude kreuzten wir „sinnfreie“ Schläge nach Westen, liefen vor dem Wind wieder nach Osten, bevor wir gegen starke Strömung die östliche Zufahrt nach Fredrikstad in Angriff nahmen. Bei 1kn über Grund und 6kn durchs Wasser bot eine laaaange Anfahrt Gelegenheit für alle, noch einmal ausgiebig das Fenderreiten zu üben.

Laut Seekarte und Hafenhandbuch sollte es zwei Bootstankstellen in Fredrikstad geben, so dass wir problemlos den Tank füllen konnten. Bei einer Runde durch den Hafen wurden Liegeplätze verworfen – insbesondere der angestrebte Liegeplatz im Westteil des Kanals, da die Hubbrücke für den gesamten Sommer 2011 wegen Reparaturarbeiten außer Betrieb und somit der Weg versperrt war. Ein attraktiver Liegeplatz am Steg neben drei Traditionsseglern wurde uns verwehrt – Holz war OK, GfK offensichtlich nicht. Auch der Liegeplatz am Supermarkt konnte uns nicht überzeugen, so dass wir letztendlich wieder neben dem Tankschiff direkt im Österälv allein am Steg festmachten – gute Verkehrsanbindung und ein niedliches Vereinsheim entschädigten für die etwas periphere „Location“. Direkt „gegenüber“ in der alten Festung fand ein Heavy Metal Festival statt, das uns gratis mit Musik versorgte – erste Befürchtungen bezüglich der Nachtruhe bewahrheiteten sich nicht, denn ein Festival, das um 16 Uhr bereits in vollen Zügen läuft, endet in Norwegen auch um 22 Uhr, ging dafür am nächsten Morgen aber weiter. Als letzte warme Mahlzeit an Bord bastelte Heidi uns aus den Resten skandinavisch angehauchte Tapas – lediglich das Anlegerbier war überraschenderweise nicht mehr ausreichend für alle, dieser Konflikt konnte aber ohne größeres Blutvergießen beigelegt werden, da einige mit Cuba Libre vorlieb nahmen.

Unser letzter Tag an Bord war dank Sonnenschein und Sklaventreiberei des Skippers ideal für eine Grundreinigung des ganzen Bootes geeignet, denn da das Gepäck problemlos auf dem Steg abwarten konnte, während auf den Knien noch in den letzten Winkeln dem – natürlich nicht vorhandenen – Schmutz zu Leibe gerückt wurde, war an Bord hinreichend Platz auch für intensivere Reinigungsarbeiten. Mit der Ankunft von Jakob Slemeyer und seiner Crew zur Ablösung ging der gemeinsame Teil der Reise zu Ende, denn Heidi und Richard planten noch einen anschließenden Trip durch Schweden und Norwegen, während der Rest sich mit dem Mietwagen auf den Weg nach Süden machte, um neue Abenteuer zu erleben. Mit jedem Kilometer nach Süden wurde es nasser und kälter (Fredrikstad: knapp 30° und Sonnenschein, Lübeck 12° und Dauerregen), entlang der Vogelfluglinie war die letzte Herausforderung die Elektronik des Mietwagens – wenn ein defekter Sensor eine offene Tür meldet, kann man einen Peugeot Boxer nicht abschließen – auch nicht manuell und auch nicht mit viel gutem Willen. Zwei Fährfahrten und einige Kilometer später waren um fünf Uhr morgens alle in Lübeck zu Hause angekommen – bis auf Steffen und Anna-Lena, die noch gen Bremen weiterfahren mussten.